GroÃe und kleine Welt by Honoré de Balzac
Autor:Honoré de Balzac [Balzac, Honoré de]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Short stories, France -- Fiction
Herausgeber: MOST Publishing
veröffentlicht: 2005-08-31T16:00:00+00:00
EHELICHER FRIEDEN
Unsere Erzaehlung spielt in der Zeit, in der Napoleons vergaengliche Herrschaft den hoechsten Gipfel ihres Glanzes und ihrer Macht erreicht hatte. Es war gegen Ende des Monats November 1809. Der Kanonendonner und das Trompetengeschmetter der beruehmten Schlacht bei Wagram hallte noch im Herzen der oesterreichischen Monarchie wieder. Der Friede war zwischen Frankreich und den Maechten des Festlandes unterzeichnet, Koenige und Fuersten demuetigten sich vor Napoleon, der sich die Freude machte, ganz Europa in seinem Gefolge zu sehen und eine prachtvolle Vorfeier der Macht zu veranstalten, die er spaeter in Dresden entfalten sollte.
Die Zeitgenossen behaupten, dass Paris nie schoenere Feste gesehen habe, als jene, die der Vermaehlung Napoleons mit einer Erzherzogin von Oesterreich vorangingen und ihr folgten. Nie hatten sich in den schoensten Tagen der aelteren Monarchie so viele gekroente Haeupter an den Ufern der Seine gedraengt, nie war die franzoesische Aristokratie reicher und glaenzender erschienen als damals. Diamanten waren mit einer solchen Verschwendung in Schmuckstuecken zur Schau getragen, Gold und Silber strahlte von so vielen Uniformen wieder, dass es schien, als waeren alle Reichtuemer des Erdballs in den Salons von Paris angehaeuft worden.
Eine allgemeine Trunkenheit hatte sich gewissermassen des ganzen Reiches bemaechtigt, und alle Soldaten, den Herrn nicht ausgenommen, erfreuten sich als Emporkoemmlinge der Schaetze, die eine Million von Kriegern im Auslande zusammengerafft hatte.
Einige Damen aus den hoeheren Sphaeren der Gesellschaft trugen damals jene leichten Sitten und jene Lockerung der Moral zur Schau, die ehemals der Regierungszeit Ludwigs XV. den Stempel der Schande aufgedrueckt hatten. Wollten sie den alten Ton der gesunkenen Monarchie nachahmen oder wollten sie das Beispiel befolgen, das gewisse Mitglieder der kaiserlichen Familie gegeben hatten, wie einige Haeupter der Vorstadt Saint-Germain behaupteten, so viel ist gewiss, dass sich alle, Maenner und Frauen, mit einer Unerschrockenheit in den Strudel der Genuesse stuerzten, die an das Ende der Welt haette glauben lassen koennen. Allein es gab damals einen besonderen Grund fuer diese Freisinnigkeit. Die Vorliebe des weiblichen Geschlechts fuer die Krieger war zu einer Art von Wahnsinn geworden. Diese Begeisterung, die den Wuenschen Napoleons zusagte, wurde durch keine Zuegel gehemmt. Der Kaiser liess seinen Armeen selten Ruhe und die vorgeblichen Leidenschaften jener Zeit entwickelten sich daher mit einer ziemlich erklaerlichen Schnelligkeit; die Ehen wurden auf eine so rasche Weise eingegangen, wie das oberste Haupt der Kolbacs, der Dolmans und der Epauletten, von denen die Frauen so sehr entzueckt waren, selbst rasch in seinen Entscheidungen war. Die Herzen waren damals nomadisch, wie die Armeen. Die haeufigen Friedensbrueche, die alle zwischen Europa und Frankreich abgeschlossenen Buendnisse nur als Waffenstillstand erscheinen liessen, fuehrten ebenso haeufige Trennungen zwischen den Kriegern und ihren Gattinnen herbei. In der Zeit von einem ersten bis zu einem fuenften Bulletin der grossen Armee sah sich daher manches Weib als Braut, Gattin, Mutter und Witwe.
War es die Aussicht auf eine nahe Witwenschaft, die Aussicht auf Mitgift, oder die Hoffnung, den Glanz eines historischen Namens zu teilen, durch welche die Krieger so verfuehrerische Reize fuer das weibliche Geschlecht erlangten? Wurde das schoene Geschlecht durch die Gewissheit, dass die Toten
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